Generation B

Claudia Wahjudis Roman „Metroloops – Berliner Kulturentwürfe“

von Ulf Schleth

Haben die Verlage uns in den letzten Monat noch ziemlich genervt mit ihrem Verständnis vom Berlinroman, schreiben unsere Jungliteraten immernoch an ihren Versionen, sofern sie noch keinen Treffer gelandet und schon durch die Talkshows geschleift wurden und haben wir den albernen ‚Generation X‘ Hype längst hinter uns gelassen, ist es jetzt endlich mal gelungen: Claudia Wahjudi, die einige vielleicht als Redakteurin des Berliner Stadtmagazines ‚Zitty‘ kennen werden, hat im Stillen ein Buch geschrieben, das alles auf einen Punkt bringt: Das Leben in der Großstadt, die Situation der Um-die-30-Leute, die Querelen der Sub- und Superkultur, die Scheinselbständigkeit und den ganzen Rest.

Der Roman, der eigentlich ein Sachbuch ist, irgendwie aber auch wieder nicht, basiert auf Claudia Wahjudis diversen Artikeln in den Zittys der letzten Jahre und verbindet sie durch Erzählungen aus dem Leben von Leuten, von denen die meisten irgendwann mal nach Berlin gezogen sind um zu studieren, um berühmt zu werden oder um selbstbestimmt zu arbeiten. Deshalb ist ‚Metroloops‘ auch eine gute Anschaffung und ein gutes Geschenk für Leute, die vorhaben demnächst nach Berlin zu ziehen, für Leute die in Berlin leben und ihren Eltern mal klarmachen wollen, wie kompliziert ihr Leben eigentlich ist und natürlich für diejenigen, die sich auf eine archäologische Reise durch die Landschaft Berliner Clubs, Szene, Kultur und Lebensgewohnheiten machen wollen.

Zwar verwirrt manchmal die chronologische Abfolge der Erzählungen und Portraits in ‚Metroloops‘ und der Text schafft es nicht ganz ohne kleinen Hänger zum Ausgang, kann aber zu 95% fesseln. Ein Buch in dem sich jeder wiederfinden kann, auch diejenigen die nicht namentlich erwähnt werden. Nicht immer leicht für die, die ein Identifikationsmuster finden, Claudia Wahjudi ist nicht eben zimperlich mit Ironie. Dir wird vor Augen geführt, daß diese ganzen Großstadtunterhaltungen, die Großstadtmüdigkeit und damit verbundene Ideen aufs Land zu ziehen, der joblose Frust nach beendigtem Studium, daß das alles Dinge sind, die permanent hinter den Fassaden der Metropole durchgekaut werden. Und Du fragst Dich, ob Du nicht mehrere tausend Stunden wertvoller Gesprächszeit besser hättest opfern können, wenn Du das Buch VORHER gelesen hättest.

Wenn Dich gerade Deine Freundin verlassen hat, verschafft dir dieser Gedanke vielleicht ein kleines Dejavu: „Mit jedem Lebensabschnitt ein neuer Gefährte und so fort, bis man 60 ist? Warum schaft das keiner mehr, den anderen mit ins nächste Abteil zu nehmen, warum muß immer gleich – alles neu macht der Mai; warum seien Schwierigkeiten nicht dazu da, gemeinsam bewältigt zu werden, sondern dazu über Bord gekippt zu werden, nur, damit sie in der nächsten Beziehung wieder auftauchen.“

Als Kulturarchäologisches Werk und Berlin-Chronik werden Geschichten erzählt von Clubs und Kulturprojekten, deren Namen man fast schon vergessen hat. Beim Lesen fallen Dir wieder die vielen sinnlosen aber mitunter sehr spaßigen Stunden ein, die Du in der Praxis Dr. McCoy, im U-Club und in der Hirschbar verbracht hast. Die Galerie/Bar berlintokyo, deren Name auch einem anderen Platz machen wird, hat ebenfalls ihre Gedenktafel bekommen. Die Leidensgeschichte des Kulturhauses Tacheles findet sich genauso wieder wie neuere Projekte, etwa der Netzkulturdiskussionszirkel des Mikro e.V. und der anti-virtuelle Sender von convex tv, der regelmäßig parallell auf mehreren Kanälen erstklassiges Radio macht. Das kann Anstöße geben, es kann aber vielleicht auch helfen, bei eigenen Unternehmungen Fehler zu vermeiden. Damit in Zukunft solche Konzepte wie ‚Fundraising mit Blumenzwiebeln‘ auch mal funktionieren (Chance 2000 hat da leider eine erstklassige Chance verpaßt).

Es ist schön, mal wieder ein solches Buch zu lesen, sauber recherchiert von einer die weiß wovon sie redet, vollkommen frei von idiotischen Verherrlichungen pseudolibertärer Drogenexzesse, Massenraves und nicht mehr funktionierender Kulturkonzepte, was in anderen Hauptstadtbestsellern leider inflationär betrieben wird. Wünschenswert wären aktualisierte Zweit- und Drittauflagen von ‚Metroloops‘ mit noch umfangreicheren Querverweisen und kleinen beigelegten, gefalteten U-Bahnfahrplänen.

Claudia Wahjudi
Metroloops
Berliner Kulturentwürfe
Ullstein Metropolis
DM 22,- / ISBN 3-548-31218-7

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