Diaspora schlägt Ello

von Ulf Schleth

Was ist die schlauere Alternative zu facebook?

Was ist die schlauere Alternative zu facebook? Bild: geralt/pixaby

Ello ist in aller Munde. Scharenweise ziehen die User um. Das zeigt zumindest, dass eine große Unzufriedenheit mit dem größten aller sozialen Netzwerke besteht. Aber warum ausgerechnet zu Ello?

Ello sieht gut aus und die Nachricht über das neue soziale Netzwerk verbreitet sich viral. Das scheint vielen auszureichen, um es sich bei Ello häuslich einzurichten. Aber es werden jetzt schon die ersten kritischen Stimmen laut, vor allem wegen der mangelnden Funktionen zum Schutz der Privatsphäre.

Ello kommt ohne Anzeigen aus und das soll auch so bleiben. Aber wie lange geht das gut, bei einem unklaren Finanzierungskonzept? Wie wird Ello Firmen davon abhalten, sich Profile zuzulegen und die Benutzer mit Spam zu belästigen? Und letztendlich ändert sich nichts am Grundkonzept: Die Daten der Benutzer lagern zentral auf den Ello-Servern und sind damit der Willkür der Ello-Eigentümer ausgeliefert. Solche Bedenken lassen sich nicht durch Sätze wie dem beseitigen, den Ellos Co-Initiator Paul Budnitz von sich gegeben hat: „Wenn du ein Problem mit Ello hast, mußt du es nicht benutzen.“

Vielen unzufriedenen Facebook-Benutzern scheint Ello die einzige Alternative zu sein. Aber es gibt mehr davon. Die größte und bekannteste ist Diaspora. Ein Projekt, das allgemein für gescheitert gehalten wird, weil es still darum geworden ist. Aber Diaspora ist alles andere als tot. Nach einigen Schwierigkeiten in der Entwicklung der Software und dem tragischen Selbstmord des Mitbegründers Ilja Zhitomirskiy im November 2011 beschloss das Entwicklerteam im August 2012, das gesamte Projekt an die Open-Source-Gemeinde zu übergeben. Damit begann das zweite Leben des Projektes.

Keine Realnamenpflicht

Das Bahnbrechende an Diaspora ist, dass der Benutzer selbst entscheiden kann, wo er seine Daten lagert. Er kann sich einen eigenen Server installieren. Wenn er nicht das nötige Know-How hat, oder sich schlicht nicht die Arbeit machen will, kann er sein Profil auf einem der zahlreichen öffentlichen Diaspora-Server, den sogenannten Pods anlegen; egal ob in Deutschland oder in Australien.

Datenschutz war von Anfang an einer der wichtigsten Gesichtspunkte in der Diaspora-Entwicklung. Wenn der Benutzer nicht explizit angibt, dass seine Daten öffentlich sein sollen, sind sie es auch nicht. Wenn er nicht gefunden werden möchte, wird er es nicht. Eine Realnamen-Pflicht gibt es hier nicht. Und vor allem ist zu allen Pods eine verschlüsselte Verbindung möglich.

In den vergangenen zwei Jahren hat die Entwicklergemeinde im stillen Kämmerlein gearbeitet. Nach Aussage des Presseteams sind das eine Handvoll Kernentwickler und 271 Programmierer, die sporadisch Code zu einzelnen Modulen und Funktionen geliefert haben. Sie haben weite Teile des chaotischen Programmcodes refakturiert, das heißt neu geschrieben. Neu ist der Code für das Benutzerinterface, für die Funktionen gegen Spam und Missbrauch, für die Verwendung mit Mobilgeräten, die Benachrichtigungen, Umfragen und viele weitere Bereiche.

New York Times und Fefe

Diaspora verfügt derzeit über 54.000 aktive Benutzer (von über einer Millionen registrierten), Tendenz steigend. Allein den größten deutschen Pod Geraspora verwenden 8.400 aktive Benutzer. Darunter sind viele Nerds und Künstler, aber auch größere Medienunternehmen, wie die New York Times und private Netzprominenz wie Fefes Blog. Natürlich sollte man hier nicht zuviel erwarten. Die Anzahl der Angebote richtet sich wie überall nach der der Nutzer. Für Leute, die nicht mehr durch ihre Facebook-Timeline durchblicken, genau das Richtige.

Dabei funktioniert Diaspora wie eine Mischung aus Facebook und Twitter. Die Implementierung von Hash-Tags ähnelt Twitter sehr. Das Finden von Bekannten funktioniert, wenn sie ihren Account nicht auf demselben Pod haben, manchmal nur mit Verzögerung. Hier werden die Entwickler sicher nacharbeiten.

Diaspora funktioniert schon jetzt wesentlich besser als Ello und hat eine Datenstruktur, die dem Benutzer erlaubt, selbst über seine Informationen zu verfügen. Natürlich ist Diaspora nach wie vor in der Entwicklung. Aber je mehr Benutzer Diaspora hat, desto mehr Entwickler gibt es und umso mehr kann auf die Wünsche der Benutzer eingegangen werden – und das ist das schöne an Open Source.

Dieser Artikel erschien am 12.10.2014 auf taz.de.

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