Wien Hund
oder: Müssen Schriftsteller sympathisch sein?
von Ulf Schleth
Das Buch ist schon ein paar Monate auf dem Markt, vermutlich wegen der großen Nachfrage mußte die Verlagsbuchhandlung Liebeskind ganz schnell eine zweite Auflage drucken. Der Titel des Buches „Donny hat ein neues Auto und fährt etwas zu schnell“ läßt auf ein gutmeinendes Kinder- und Jugendbuch für 14-18jährige schließen, das Cover auf einen Ratgeber für Hundenarren. Daher die anziehende Wirkung des Buches auf Frauen am Nebentisch. Es befinden sich 14 Kurzgeschichten darin, geschrieben von dem Dänen Arne Nielsen.
Die Texte sind vor allem eines: beunruhigend. Insgesamt ist die Lektüre geeignet, den Leser zu verstören und ihn schaudernd in seinem Gartenstuhl zurückzulassen. Unerwartete und seltsame Dinge geschehen. Nielsen denkt nicht im Traum daran, sie dem Leser zu erläutern. Das Furchtbare bleibt unausgesprochen. Ungeheuerliches läßt sich erahnen. Düstere Dinge, Inzest und Mord.
Nielsen schreibt schön und schlicht, manchmal ein bißchen wie ein Kind, das einen Alptraum hatte.
So manche drastische Formulierung entbehrt nicht einer gewissen Komik. Als zum Beispiel Ed nach Hause kommt und auf das Huhn seines ehemaligen Freundes Donny trifft: „Doch dann hatte ich es und schlug es als erstes auf den Rasen. Dann auf den Gartentisch. Und dann gegen alles.“ Ein besonders schöner Text beginnt mit dem Satz „Heinrich hat auf den Boden geschissen, und es klebt Schokolade an der Decke.“ In einigen der Geschichten trifft man auf vierbeinige Freunde, die Stadt Wien oder beides.
Ende Mai 2004. Arne Nielsen liest im Salon. Er liest nicht nur, er erzählt zwischendrin Geschichten, gibt ein bißchen an und nörgelt mehrfach, weil ihm zu wenig Zuhörer da sind. Wenn er liest, sieht er aus, als habe er furchtbare Kopfschmerzen dabei. Das muß er vor dem Spiegel geübt haben. Sein starker dänischer Akzent wirft die Frage auf, warum er nicht auch in Dänemark veröffentlicht.
Vielleicht hat er den Akzent auch geübt. Er scheint nicht viel für seine schreibenden Landsleute übrig zu haben: „Mit Sicherheit gibt es in Dänemark gute zeitgenössische Literatur – ich werde nur nicht da sein.“ Nach der Lesung geht die Frau neben mir zu ihm, um ein Kompliment loszuwerden.
Schelmenhaft faßt er sie an der Hand. Meine Frau sagt zu mir: „Der ist genau so ein Macho-Arschloch wie du.“ Ich sage: „Du mußt den Autoren von seinem Werk trennen. Wenn einer ein Buch geschrieben hat, gehört es nicht mehr ihm, sondern dem Leser. Künstler müssen nicht sympathisch sein.“ Wir streiten uns und ich muß auf dem Sofa schlafen. Aber ich bin trotzdem glücklich, ich habe ja das Buch.
Arne Nielsen
„Donny hat ein neues Auto und fährt viel zu schnell“
liebeskind
ISBN: 3-935890-18-4,
EUR 14,90
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